Während des Dritten Reiches wurde eine bis zum Massenmord gesteigerte Ausgrenzung gegen Juden, Roma und Sinti, Behinderte, Zeugen Jehovas, politische Gegner und andere – als minderwertig eingestufte – Personengruppen bis zur letzten Konsequenz verwirklicht. Mit dem Zweiten Weltkrieg wollte Adolf Hitler neben der Gewinnung von „Lebensraum“ im Osten seine diktatorischen Herrschaftsansprüche durchsetzen und somit eine neue europäische Ordnung herstellen. (1) Österreich war als Staat zwar Opfer des deutschen NS-Regimes, jedoch trugen weite Teile der Bevölkerung das NS-System mit oder arrangierten sich mit diesem. Lediglich eine kleine Minderheit – ob Kritiker, Regimegegner und/oder Widerstandskämpfer – stellte sich dem Dritten Reich entgegen.

Hitler-Deutschland wurde nach siebenjährigem Krieg von den Alliierten besiegt und durch ein Besatzungsregime von 1945 bis 1955 abgelöst. Die vorrangigen Probleme wie die Verfolgung von Tätern, die Säuberung des Staatsapparates von Nationalsozialisten, die Entschädigung der NS-Opfer und die schwierige Aufarbeitung des Erlebten waren in den ersten Nachkriegsjahren die vorrangigen Ziele der Besatzer.

Von der provisorischen Regierung wurden bereits wenige Wochen nach Kriegsende die wesentlichen Gesetzesgrundlagen für den Entnazifizierungsprozess verkündet. Mit dem Verbotsgesetz (Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945) wurde die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) und alle damit in Verbindung stehenden (Teil-)Organisationen verboten. Auf Grundlage dieses Gesetzes mussten sich weiters alle Personen, die zwischen 1933 und 1945 bei der NSDAP oder einer ihrer (Teil-)Organisationen (beispielsweise Schutzstaffel) aktiv waren, registrieren lassen. Sie waren zudem bei der Nationalratswahl im Jahr 1945 nicht berechtet, von ihrem aktiven (d. h. zur Stimmabgabe berechtigt) bzw. passiven (d. h. sich als Kandidatin oder Kandidat für eine Wahl aufstellen zu lassen) Wahlrecht Gebrauch zu machen.

Das Kriegsverbrechergesetz (Verfassungsgesetz vom 26. Juni 1945) „führte eine Reihe von Straftatbeständen ein, die im österreichischen Strafgesetz entweder völlig unbekannt waren (wie die Verletzung der Menschenwürde oder die Denunziation) oder durch ihre Qualifizierung als ’nationalsozialistische Verbrechen‘ vor einem Volksgerichtshof verhandelt werden mussten“ (2).

Justiziell wurden zwischen 1945 und 1955 Volksgerichte eingerichtet, „für die ab August 1945 beim Landesgericht Wien (in der sowjetischen Besatzungszone) und ab Anfang 1946 bei den Landesgerichten Graz (für die britische), Linz (für die amerikanische) und Innsbruck (für die französische Besatzungszone) eigene Senate am jeweiligen Sitz der Oberlandesgerichte gebildet wurden“ (3). Die gesetzlichen Grundlagen wurden zuvor durch das bereits erwähnte Verbotsgesetz und durch das Kriegsverbrechergesetz geschaffen. „Zwischen 1945 und 1955 wurden in 136.829 Fällen gerichtliche Voruntersuchungen wegen des Verdachts nationalsozialistischer Verbrechen oder ‚Illegalität‘ (Mitgliedschaft bei der NSDAP zur Zeit ihres Verbots 1933-1938) eingeleitet. 23.477 Urteile wurden gefällt, davon 13.607 Schuldsprüche“ (4).

1946 waren insgesamt 536.660 Personen in Österreich als Nationalsozialisten registriert. 18,3 Prozent davon waren „illegale Parteigänger“, also Personen, die bereits vor dem Anschluss im Jahr 1938 der (damals noch verbotenen) NSDAP angehörten. (5) Jedoch verlief die praktische Durchführung des Entnazifizierungsprozesses nicht reibungslos, was vor allem an der uneinheitlichen Durchführung und an den zahlreichen gesetzlichen Ausnahmebestimmungen lag.

Nach mehrfachen Novellierungen wurden deshalb das Verbots- und das Kriegsverbrechergesetz zum Bestandteil des 1947 neu erlassenen Nationalsozialistengesetzes (Verfassungsgesetz vom 17. Februar 1947), welches einen reibungsloseren Ablauf bringen sollte.

In diesem Folgegesetz wurden die ehemaligen Nationalsozialisten in zwei Gruppen, nämlich

  • in Kriegsverbrecher (sowie bedingt Illegale),
  • und sühnepflichtige Personen (Belastete und Minderbelastete)

eingeteilt.

Insgesamt betrachtet erfolgte der Entnazifizierungsprozess in der unmittelbaren Nachkriegszeit am intensivsten. Das lag einerseits am Einfluss der Alliierten und andererseits an der österreichischen Justiz, die ihre Kompetenz bei der Ausforschung und Verfolgung von NS-Verbrechern beweisen wollte. Mit dem Ende der gerichtlichen Verfolgung durch die Alliierten und der Amnestie eines Großteils der ehemaligen Nationalsozialisten im Jahr 1948 ging die Entnazifizierung jedoch stark zurück. Der Abschluss des Staatsvertrages 1955 bedeutete faktisch das Ende der gerichtlichen Auseinandersetzung mit NS-Verbrechen. (6) Aus heutiger Sicht wird der Begriff der Entnazifizierung am Häufigsten mit jenen Gesetzen in Verbindung gebracht, die nach dem Kriegsende erlassen wurden.

 

Quellen:

(1) Vgl. Neugebauer, Wolfgang (2000). Referat anlässlich der Enquete “Rassismus und Vergangenheitsbewältigung in Südafrika und Österreich – ein Vergleich?” im österreichischen Parlament, Wien, 31. Mai 2000.

(2) Nationalsozialismus.at: Gerichtliche Aufarbeitung, abrufbar unter www.nationalsozialismus.at/Themen/Umgang/gericht.htm.

(3) Nachkriegsjustiz.at: Prozesse und Volksgerichte, abrufbar unter www.nachkriegsjustiz.at/prozesse/volksg/index.php.

(4) Nachkriegsjustiz.at: Prozesse und Volksgerichte, abrufbar unter www.nachkriegsjustiz.at/prozesse/volksg/index.php.

(5) Vgl. Stiefel, Dieter (1981). Entnazifizierung in Österreich, Wien, Europa Verlag, S. 98, 116, 119.

(6) Nationalsozialismus.at: Entnazifizierung, abrufbar unter www.nationalsozialismus.at/Themen/Umgang/entnazif.htm.